29. April 2024

Schule und Ausbildungsbetriebe Hand in Hand: Wegweisendes Modell für Berufsorientierung

Stolz zeigen Noah und Anna von der Johann-Textor-Schule Haiger der Besuchergruppe ihr „Werk“: Im Schulungsraum der Technischen Produktdesigner in unserer Ausbildungswerkstatt in Haiger haben sie mithilfe von CAD-Software 3D-Zeichnungen von Bauteilen selbst erstellt. Die Besucher um Dieter Dembczyk, zuständig für die berufliche Orientierung beim Hessischen Kultusministerium, Prof. Harald Danne, Wirtschaftsdezernent des Lahn-Dill-Kreises, und Haigers Bürgermeister Mario Schramm staunten nicht schlecht und stellten den jungen Tüftlern interessierte Fragen.

Die Schüler haben einen kollaborierenden Roboter unterstützt von Ausbilder Marc Weitzel (vorne rechts) so programmiert, dass er Menschen Gegenstände reichen kann. Hier schenkt er Dieter Dembczyk vom Hessischen Kultusministerium einen Stift.

Sie kamen in Haiger zusammen, um das junge duale Projekt „SchulePlus“ in der Praxis kennenzulernen. Es ermöglicht Anna, Noah und den anderen Schülerinnen und Schülern, einmal pro Woche gemeinsam mit uns Azubis zu lernen. Alexander Schüler, Lehrer an der Johann-Textor-Schule, hat es 2022 als erstes Modell seiner Art in Kooperation mit Ausbildungsbetrieben der Region, darunter Rittal als Unternehmen der Friedhelm Loh Group, erfunden. Das Ziel: Den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung zu verbessern.

Mit dem Besuch bei Rittal wollen die Projektverantwortlichen die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern stärken und die Sichtbarkeit erhöhen, damit das Projekt weiter wachsen und als „Best Practice“ auch anderen Schulen und Regionen Vorbild sein kann.

Gewinner auf allen Seiten

„Wir als Ausbilder sowie Lehrer und Eltern müssen junge Menschen in ihrer Entwicklung unterstützen, mit ihnen sprechen und auf sie zugehen“, betont Holger Langheinrich, globaler Leiter Personalmanagement der Friedhelm Loh Group. „Denn sie brauchen Raum, Zeit und Coaching für ihre Orientierung. Genau das bietet ihnen das Format ‚SchulePlus‘.“ Zugleich baue es Berührungsängste mit der Arbeitswelt ab und gebe Vertrauen und Sicherheit für den Berufsweg. Das schätzt auch Noah besonders: „Ich möchte bei Rittal bleiben. Ich kenne die Inhalte und Ausbilder, das ist mir viel wert.“ Mit seinen Mitschülerinnen und -schülern kann er über einen längeren Zeitraum und ohne Entscheidungsdruck Praxiserfahrungen sammeln, sich ausprobieren und herausfinden, ob der Beruf zu seinen Interessen und Stärken passt.

Das freiwillige Angebot „SchulePlus“ richtet sich an Schülerinnen und Schüler aller Schulzweige der Jahrgangsstufe 9. Nach der Entscheidung für ein Unternehmen und einen Beruf schließen sie einen schulbegleitenden Jahresvertrag – mit der Aussicht auf Verlängerung um ein weiteres, Wechsel sind jederzeit möglich. Einmal in der Woche schnuppern sie dann vor Ort in die Ausbildungswelt hinein, um Betrieb, Beruf und Ausbilder kennenzulernen. Neun der zehn ersten Jugendlichen von „SchulePlus“ haben einen Ausbildungsvertrag erhalten und angenommen, allein zwei von ihnen bei Rittal. Für das kommende Schuljahr gibt es bereits mehr als 90 Anmeldungen. Über 100 Unternehmen nehmen derzeit an dem Projekt teil, die damit ebenfalls in die eigene Zukunft investieren: Sie können die neuen Auszubildenden im besten Fall zwei Jahre kennenlernen und vorbereiten, sodass sie zum Ausbildungsstart bereits über weitreichende Kenntnisse verfügen. Eine Win-win-Situation für beide Seiten.

„Die Chance des Modells ist enorm. Es erleichtert nicht nur den Übergang von der Schule in die Berufswelt, sondern schafft auch Transparenz für das Wertvolle der Region, Berufe und Ausbildung im Allgemeinen“, fasste Dembczyk seine Eindrücke beim Besuch in Haiger zusammen. Das unterstrich auch Prof. Danne, der besonders die Verknüpfung zwischen theoretisch geprägter Schulausbildung und der Praxis der Berufswelt als einen großen Vorteil nannte – ähnlich dem dualem StudiumPlus-Programm der Technischen Hochschule Mittelhessen, zu dessen Gründungsvätern er gehört.

Moderner Lern- und Arbeitsplatz

„SchulePlus ist ein tolles Projekt, mit dem wir das Bild der Ausbildung bei jungen Menschen stärken und sie bei der Berufsorientierung unterstützen, aber auch als Arbeitgeber zu den Gewinnern gehören“, erklärte unser Ausbildungsleiter Matthias Hecker. „Nur so können wir junge motivierte Talente in unserer Heimat, der industriestärksten Region Hessens, halten und sie in Zeiten des Fachkräftemangels als Wirtschaftsstandort sichern.“ Als größter Ausbildungsbetrieb der Region sei es ein Anliegen, für Nachwuchskräfte langfristige Perspektiven und ein attraktives Lern- und Arbeitsumfeld zu gestalten.

So ist das Ausbildungszentrum als moderner Lernort fest im Ausbildungsalltag verankert. Hier lernen Noah, Anna und unsere Azubis, wie zum Beispiel Mensch und Maschinen in digital unterstützten Prozessen zusammenarbeiten. Das macht uns Nachwuchskräfte fit für die Herausforderungen und Prozesse, die uns in der digitalisierten, automatisierten Arbeitswelt beschäftigen, zum Beispiel im benachbarten Industrie 4.0-Werk von Rittal. Im weltweit modernsten Werk für die Produktion von Klein- und Kompaktgehäusen können wir das Gelernte anwenden und an technologischen Lösungen der Zukunft mitarbeiten.

„Wir haben viel dazugelernt, zum Beispiel dass es verschiedene Wege gibt, Dinge zu lösen“, berichtet Anna am Ende, die sich entschieden hat, mit der Schule weiterzumachen. „Aber ich kann mir vorstellen, nach dem Abi zurückzukommen, denn hier gibt es viele Möglichkeiten.“ Noah dagegen hat bereits einen Ausbildungsvertrag bei Rittal unterschrieben, er startet im Sommer seine Ausbildung zum Technischen Produktdesigner.